· 

Podcast 21| Was ist (m)eine Idealfigur? Teil 2

Was ist (m)eine Idealfigur? Teil 2


Wir widmen uns in dieser Podcastfolge noch einmal der tollen Hörerinnenfrage. Die da lautet: Was ist (m)eine Idealfigur? Gibt es die? Ab wann ist man zu dick bzw. zu dünn und welche Rolle hat die Gesellschaft?

Das Gefühl der Unzulänglichkeit


Die Idee bzw. der Mythos der „perfekten Figur“ ist, wie wir im ersten Teil gesehen haben, in der Gesellschaft immer noch allgegenwärtig. Es wird uns ständig suggeriert, dass es sich bei der Idealfigur um ein erreichbares Ziel handelt, für dessen Umsetzung man nur genügend Willenskraft und Anstrengung benötigt. Doch diese Annahme entspricht einfach nicht der Realität, weil sie ganz viele Faktoren ausblendet. Zugleich schafft dieses Credo enorm viel Leid, Selbstzweifel und kann die Beziehung zu unserem Körper (zer)stören. Das Gefühl der Unzulänglichkeit kann dabei überhandnehmen, was wiederum einen negativen Kreislauf von Selbstkritik und zu hohen Anspruch an sich selbst verstärken kann. Der Wunsch, sich gut zu fühlen, wird dann unter Umständen noch mehr mit der Idealfigur assoziiert, d.h. man glaubt, sich erst dann gut fühlen zu können, wenn man das Ideal erreicht hat. In ihrem Buch „Health at Every Size“ beschreibt Linda Bacon jedoch, dass genau das Gefühl, sich z.B. zu dick zu fühlen, einen negativeren Effekt auf die Gesundheit hat, als tatsächlich übergewichtig zu sein. Der Stress, sich körperlich unzulänglich zu fühlen, ist also oft der größte Stressfaktor, der verhindert, dass wir uns wohlfühlen und den für uns gesündesten Körper zu haben.

Die Set-Point-Theorie


 

Während es „die Idealfigur“ einfach nicht gibt, weil das Konzept niemals die Vielfältigkeit und individuelle Schönheit der menschlichen Körper umfassen kann, gibt es Hinweise, dass jeder Mensch dennoch einen sogenannten Set-Point hat. Diese Annahme beruht darauf, dass der Körper ein bestimmtes Gewicht halten möchte. Der Set-Point ist dabei jedoch nicht ein Leben lang fixiert, sondern kann sich immer wieder ändern. Hier sieht man, dass zum Beispiel chronisches Diäthalten und chronische Diätgedanken den Gewichts-Set-Point eher in die Höhe treiben. Denn der Set-Point wird vom Hypothalamus, dem „Vermittler zwischen Gehirn und Körper, bestimmt und der reagiert auf Stress, Emotionen, Situationen etc.

Wenn wir uns z. B. zwingen nicht zu essen, obwohl wir Hunger haben, kompensiert das der Körper und es kommt u.a. zu einer verringerten Ausschüttung von Leptin, dem „Appetit- und Sättigungshormon“, was sich langfristig in einem höheren Set-Point bemerkbar macht. Genießt man hingegen sein Essen, wird vermehrt Dopamin ausgeschüttet, der Körper ist entspannt und kann mehr Nährstoffe aufnehmen und hat keinen Grund, in den Fettspeichermodus zu wechseln.

Worum geht es bei der "perfekten Figur" wirklich?


Wenn man hinter das Ziel des „Idealkörpers“ blickt, entdeckt man häufig den Wunsch oder das Bedürfnis nach einem besseren Leben, nach mehr Wohlbefinden etc. Durch die Kultur, in der wir leben, wird dieses Bedürfnis oft an unser Aussehen gekoppelt. Der Glaubenssatz ist dabei oft: „Erst wenn ich „ideal“ ausschaue, darf es mir gut gehen“. Was oben genanntes Beispiel der Hormonausschüttung jedoch zeigt, ist, dass wir das Ziel, uns besser zu fühlen, eher mit Genuss und Freude am Leben erreichen, anstatt genau das aufzuschieben, bis man eines Tages die „perfekte Figur“ hat. 

Je mehr wir uns mit unserem Körper verbinden, ihm und uns Gutes tun und es uns erlauben, so wie wir sind, das Leben zu genießen, desto entspannter sind wir und desto eher arbeitet unsere Körperchemie für uns. Entspannung in das Leben zu bringen, ist also ein guter Ansatzpunkt, um uns wohler zu fühlen. Dann kann auch unser Körper am besten die Form annehmen, die für uns „ideal“ ist. Es geht also darum trotz gesellschaftlicher Zwänge, mutig genug zu sein, mehr Lebendigkeit, Freude und Genuss in sein Leben zu lassen. Das ist ein radikales Konzept, wenn man bedenkt, dass oft genau das Gegenteil – nämlich Verzicht, „Muss und Soll“ und Drill – propagiert wird. Die größten und nachhaltigsten Durchbrüche passieren jedoch, wenn man sich dem Körper und seinen Bedürfnissen zuwendet und lernt, sich selbst zu vertrauen. 

Quellen: Linda Bacon „Health at Every Size”

Kommentar schreiben

Kommentare: 0