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Podcast 20| Was ist (m)eine Idealfigur? Teil 1

Was ist (m)eine Idealfigur?


Wir widmen uns in dieser Podcastfolge einer tollen Hörerinnenfrage. Die da lautet: Was ist (m)eine Idealfigur? Gibt es die? Ab wann ist man zu dick bzw. zu dünn und welche Rolle hat die Gesellschaft?

Die Frage nach der perfekten Figur


In unserer Gesellschaft ist das Streben nach Selbstoptimierung und Perfektion allgegenwärtig und betrifft oft vor allem auch unseren Körper. Die Zahl der Menschen, die mit ihrem Körper unzufrieden sind, ist enorm hoch und häufig beginnt diese Unzufriedenheit schon im Kindesalter(!). Der Wunsch, die „perfekte Figur“, den „perfekten Körper“ zu haben ist weit verbreitet, vor allem auch deshalb, weil damit eine Vielzahl von anderen Dingen assoziiert werden, nicht zuletzt das „ideale, perfekte Leben“ selbst. Tatsächlich entsteht durch dieses Streben jedoch meist die oben angesprochene Unzufriedenheit bis hin zu ernsthaften Erkrankungen und Leiden. Woher kommt also dieser Wunsch, den Körper nach einem Ideal zu formen und warum hält er sich so hartnäckig in unserer Gesellschaft, obwohl in der Realität unendlich viele und vielfältige Körper existieren und nicht nur das eine „Idealmodell“?

Kritik am Body Mass Index


Im 19. Jahrhundert hat der belgische Astronom und Mathematiker die Formel „Körpergewicht geteilt durch Körpergröße zum Quadrat“, die heute immer noch als BMI in Verwendung ist, erfunden. Er hat dafür an die 6000 schottische Soldaten vermessen, um ihre Normverteilung zu erfassen. Der BMI war nie für den Gebrauch einer allgemeinen bzw. auch medizinischen Erfassung einer Körpernorm gedacht. Allein durch seine Entstehungsgeschichte wird deutlich, dass er eben hauptsächlich für schottische, also weiße, Männer geschaffen wurde und somit weder für Frauen bzw. andere Gender noch für andere Ethnien funktionieren kann. Dennoch wird er bis heute als Maßstab, vor allem auch im medizinischen Bereich, verwendet, um je nach Ergebnis die Menschen als unter-, normal- oder übergewichtig einzuteilen.

Schönheitsideale und Schönheitsdruck


 Während viele ihren BMI vielleicht gar nicht kennen, ist doch der Gedanke, den menschlichen Körper in eine normierte Form zu bringen über die Jahrhunderte hinweg sehr weit verbreitet. Vor allem der Frauenkörper war und ist in beinahe jeder Gesellschaft Gegenstand von Objektivierung, Idealisierung, Bewertung, etc. und unterliegt dem strengen Diktat der jeweiligen Schönheitsideale. Die Body Positivity Bewegung der letzten Jahre ist wichtig und wertvoll und mag den Rahmen des „Erlaubten“ etwas erweitert haben, aber auch hierbei können sich erneut „Normen“ einschleichen. Man „darf“ dann zwar z.B. als Frau Kurven haben, aber es müssen „die richtigen Kurven“ sein, etc. Es scheint, als wäre das Vergleichen, Idealisieren- und Perfektionieren-Wollen nicht so einfach aus unseren Köpfen und gesellschaftlichen Strukturen wegzudenken.

Dabei zeigt ein Blick auf die jeweiligen Schönheitstrend, das sich diese immer wieder wandeln und es eben nicht das eine „perfekte“ Körpermaß gibt. Der Druck, den man sich als einzelner Mensch jedoch macht, in das jeweilige Ideal hineinzupassen, ist enorm. Daraus entsteht oft großes Leid und Stress, verbunden mit dem Verlust einer gesunden Beziehung zum eigenen Körper. Meist geht im Kampf mit sich selbst und seinem Körper extrem viel Energie und Lebenskraft verloren, um ein komplett arbiträres Schönheitsideal zu erreichen, das sich vielleicht schon nächstes Jahr wieder ändern kann. Die Flut an bearbeiteten Bildern und operierten Körpern, die das Social Media Zeitalter hervorgebracht hat, verschlimmert die menschliche Tendenz zur Unzufriedenheit und zu Vergleichen noch um ein Vielfaches. Um aus dem kollektiven „Figur- und Gewichtsstress“ auszubrechen, ist daher als erster Schritt das Wissen um die Entstehung solcher beliebigen Normierungsversuche sehr hilfreich. So kann man den Mythos von der Idealfigur zumindest intellektuell durchschauen, um dann in weiteren Schritten für sich stimmigere und lebensbejahendere Herangehensweisen an das Thema Körper und Beziehung zum Körper zu finden. Wie man das im persönlichen Leben angehen und mehr Freiheit erlangen kann, wird im zweiten Artikel zu dem Thema behandelt.

 

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